Die heilsame Kraft der Stille
In vielen (fernöstlichen) Traditionen gilt (innere) Stille und Still-Sein als einer der zentralen Schlüssel für Gelassenheit, Wohlbefinden, Kontemplation, Meditation und Kommunion mit allem, was ist.
Unsere Alltagswelt ist geprägt von Hektik, Begegnungen, Gesprächen und einer konstanten Geräuschkulisse. Wir absorbieren mit unseren Sinnen ununterbrochen Eindrücke aus unserer Umgebung. Das digitale Zeitalter der Laptops, Smartphones- und I-pads potenziert diese Reizüberflutungs- und Ablenkungstendenz immens. Diese Tatsache führt häufig zu einer simplen Gleichung: wie im Aussen so im Innen. Geling es Ihnen Ruhe zu finden und «echte» Stille zuzulassen?
Ich bin der heilsamen Kraft der Stille zum ersten Mal im Jahre 2009 wirklich begegnet. Eine Initiation mit nachhaltiger Wirkung. Aufgrund meiner damaligen, schwierigen Lebenssituation hatte ich mich spontan für ein geführtes Stille-Seminar angemeldet. Fünf Tage Fasten, Schweigen, Meditation, Yoga, Spaziergänge im Wald und klare Regeln (absolutes Telefon-, Lese- und Rauchverbot). Während der drei Stunden täglich, in denen kein offizielles Programm war, durften wir Schreiben, Zeichnen und Kontemplieren. Der Tag startete um 5.30 Uhr mit einer langsamen Geh-Meditation und endete abends um 20.00 Uhr mit einer Sitzmeditation. Am Abend des ersten Tages wollte ich flüchten. Es war einfach für mich zu schweigen. Es war eine unglaubliche Herausforderung, dem «Lärm und Chaos» in meinem Kopf zu begegnen.
Die folgenden Tage haben alles verändert; ich bin wortwörtlich immer tiefer in die Stille gefallen. Die inneren Dialoge wurden langsamer, fokussierter und hatten die Qualität von Erkenntnissen «aus der Tiefe meines Seins». Ich spürte einen authentischen Zugang zu meiner Gefühlsachterbahn, ohne davon überrollt zu werden. Meine Sinneswahrnehmung während den Spaziergängen veränderte sich; kleinste Details erreichten meine Augen und Ohren. Die Natur schien lebendiger und hatte einen vollkommen anderen Klang. Ich fühlte zudem eine mir unbekannte (physische) Gelassenheit, Ruhe und sprudelnde Heiterkeit. Als wir das Schweigen am letzten Tag «gebrochen» haben, spürte ich einen regelrechten Widerstand, mich wieder ins Aussen zu begeben. Die Geräusche am Bahnhof später haben mich hilflos überfordert. Die Welt erschien mir tagelang als unangenehm laut. Nach dieser ersten prägenden Erfahrung mit der Kraft der Stille, hatte ich zu Hause kaum noch das Verlangen nach Hintergrundmusik. Mein TV-Konsum wurde immer weniger und ist seit Jahren bei «Null». Mein Bedürfnis nach stillen Momenten der Kontemplation und des «Mit-mir-alleine-Seins» im Alltag hatte sich für immer verändert.
In den letzten Jahren bin ich der heilsamen Kraft von Stille und Meditation in Selbsterfahrungs-Retreats und Trainings immer wieder aufs Neue begegnet. Eine tägliche, stille Meditationspraxis in meinen Alltag einzubauen, benötigte Anfangs viel Disziplin und Durchhaltewillen (und tut es manchmal noch immer!). Diese Stunde «Innenschau» ist zu einer der wertvollsten Ressourcen geworden, um mit mir selbst in Kontakt zu bleiben und mein inneres Gleichgewicht und Wohlbefinden zu erhalten.
Stille erscheint harmlos und nährend. Wir alle kennen (kurze) Momente der Stille und des Still-Seins; z.B. abends vor dem Einschlafen, während der Nachtruhe oder einem Spaziergang in der Natur. In Momenten, in denen wir uns vollkommen auf etwas konzentrieren, kontemplieren oder uns in einem wohligen Zustand der (physischen) Entspannung befinden. Diese Dimension von Stille brauchen wir und unser «System», um sich im Alltag zu regenerieren. Stille vermag uns gleichzeitig Angst zu machen und Unbehagen auszulösen.
Entscheiden wir uns Stille zuzulassen, begegnen wir einer einzigen Person: uns selbst; das kann eine Herausforderung sein. Erlauben wir uns längere Momente der Stille und des Still-Seins in einer Umgebung, welche innere Stille nährt, begünstigt und zugänglich macht, erfahren wir eine neue Dimension.
Der indische Mystiker Osho sagt: «Dialog ist nur in der Stille möglich. Worte sagen wenig und behindern mehr. Tief im Inneren ist alles miteinander verbunden. Auf dieser Ebene der Verbundenheit werden Gefühle in Stille übertragen. Wörter sind ein sehr schlechter Ersatz für stillen Ausdruck. Die Wahrheit kann nicht mit Worten gesagt werden. Diese kann nur durch die stille innere Stimme ausgedrückt werden»
Wer dieser inneren Stimme einmal begegnet ist, wird sich für immer an sie erinnern.
Ich kann Sie nur ermutigen, die Kraft der Stille in Ihr Leben einzuladen.