Weshalb wir uns mit dem Tod befassen müssen

Seit einigen Wochen darf ich eine Kundin begleiten, die ihren Mann von einem Tag auf den anderen verloren hat. Er hatte sich wie jeden Morgen von ihr verabschiedet, doch dieses Mal für immer. Sie ist Mitte vierzig, lebte mit ihrem Mann schon länger im Ausland und steht jetzt plötzlich ganz alleine mit zwei Söhnen im Alter von sieben und zehn Jahren da.

 

Sie hat mich um Unterstützung gebeten, um diesen Schock zu verarbeiten, sich dem Trauer-prozess und allen damit einhergehenden Gefühlen bewusst zu stellen. Das eine sind die vielen schwierigen Emotionen, mit denen sie sich seit Monaten konfrontiert sieht wie unbeschreiblicher Schmerz, Trauer, Wut, Angst, Überforderung und schiere Verzweiflung.

 

Das andere sind die administrativen Belange. Sie haben beide gearbeitet, doch ihr Mann hat sich um das Finanzielle gekümmert. Sie hatten während ihrer Ehe nie darüber gesprochen, was denn wäre, wenn (...). Jetzt steht sie unerwartet vor einem Berg an Schulden und anderen schwierigen finanziellen Herausforderungen. Und vieles davon kann nicht warten, doch sie findet immer wieder die Kraft in sich, um den nächsten Schritt zu tun und gleichzeitig für ihre Kinder da zu sein, die sie so sehr brauchen. Eine starke Frau und eine wunderbare Mutter.

 

Jeder von uns weiss, dass der Tag kommen wird, an dem wir sterben. Was wir nicht wissen, ist wann dieser Tag kommt und unter welchen Umständen wir unseren Körper verlassen werden. Trotzdem befassen sich viele Menschen ungern mit dieser Tatsache, um nicht zu sagen, sie wird geradezu vermieden, sprichwörtlich «totgeschwiegen». Insbesondere in der westlichen Welt werden unsere Vergänglichkeit und der Tod oft vom Leben ausgeklammert also ob sie nicht dazu gehören. Doch dem Tod ausweichen geht nicht, wir können einzig dem Leben ausweichen indem wir den Tod unbewusst oder bewusst verneinen. 

 

Einen geliebten Menschen zu verlieren oder selbst mit dem Sterben konfrontiert zu sein,

ist zweifellos ein äusserst tiefgreifender und schwieriger «Prozess» und das oftmals auch, weil wir uns nicht darauf «vorbereitet» haben. Es fanden keine offenen Gespräche statt mit Partnern, Eltern, Familie, Kindern, Freunden. Und auch keine mit uns selbst.

 

Ich durfte meinen geliebten Grossvater vor vielen Jahren beim Sterben begleiten. Eine Erfahrung, die ich niemals vergessen werde, weil sie gleichzeitig unendlich schmerzhaft sowie heilend war. Heilend, weil sie in mir das Gefühl bestärkt hat, dass der Tod nichts ist wovor wir uns fürchten müssen, sondern ein Übergang in etwas Unbekanntes. Und genau so war es bei unserer Geburt, wir wussten nicht, was uns erwartet. Diese Erkenntnis wurde mittlerweile bestärkt durch Einblicke, die ich nicht in Worte fassen will, weil sie meine eigenen sind. Sie fanden statt während Reisen, Breathwork, Ritualen, in Meditation und Stille. Ich hörte auch Lehrern aus verschiedenen Traditionen zu und las Bücher. Zwei der wichtigsten waren "Das tibetische Buch vom Leben und Sterben" von Sogyal Rinpoche und die Autobiographie von Elisabeth Kübler Ross.

 

Ich empfinde eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Tod und der persönlichen Vergänglichkeit als äusserst essentiell, denn sie öffnet uns die Augen für unser Lebendig-Sein, die Schönheit, die uns umgibt, die Dankbarkeit für das «Hier und Jetzt» und die Demut wie schnell das Leben vorbei sein könnte.  Das Leben ist kostbar und der Tod gehört ebenso dazu wie die Geburt.